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Eine Lektüre von David Hockneys Mr. and Mrs. Clark and Percy (1971) als interspecies-Begegnung im Wohnen
David Hockneys Bild Mrs. And Mrs. Clark and Percy von 1971 gehört zu einer Reihe von Darstellungen des Domestischen seitens des britischen Künstlers während der 1960er und 1970er Jahre. Als einzige Bildfindung innerhalb dieser Werkgruppe mit Porträts von Hockneys Verwandten und Freunden zeigt es neben den menschlichen Figuren, dem Innenraum und verschiedenen Wohndingen auch eine nicht-menschlichen Bewohner/in: eine Katze, im Titel mit dem Namen Percy bezeichnet. Zahlreiche Analysen dieser sehr bekannten Arbeit Hockneys erwähnen das Heim-Tier entweder nur am Rande oder sie ignorieren seine Anwesenheit vollständig. Was erstaunlich scheint angesichts der doch sehr prominenten Anordnung von Percy im Bild, deute ich als Symptom, als ein symptomatisches Ver-Sehen, das sich von der Denkfigur anthropologischer Differenz, der binär-hierarchischen Opposition zwischen Mensch und Tier herleitet, wie sie wissenschaftliche Diskurse, darunter nicht zuletzt den Wohndiskurs, durchzieht. Der Beitrag regt eine Lesart des Bildes an, die sich auf die Kritik an anthropozentrischen Sichtweisen richtet. Als Leitlinien dienen dabei zwei Theorietexte: Jacques Derridas Schrift Das Tier, das ich also bin (2010), in der Derrida von einer häuslichen Szene, dem Blickkontakt mit seiner Katze in der Wohnung, ausgehend zu einer Revision des Denkens und Sprechens über Tiere gelangt und Roland Barthes Vorlesungsreihe Wie zusammen leben (1977/2007), in der Barthes über Arten des Lebens und Wohnens in der Gemeinschaft reflektiert und dabei Tiersozietäten miteinbezieht.
Christiane Keim ist Lektorin am Institut für Kunstwissenschaft – Filmwissenschaft – Kunstpädagogik der Universität Bremen und Assoziierte Wissenschaftlerin am Mariann Steegmann Institut. Kunst & Gender. Studium der Kunstgeschichte und Germanistik an der Philipps-Universität Marburg, 1987. Promotion im Fach Kunstgeschichte mit einer Arbeit zur Stadtbauplanung im Klassizismus. 2004 Habilitation an der TU München mit einer Arbeit zu Geschlechterverhältnissen im Wohnungsbau der 1920er Jahre. Von 1994–2005 Redaktionsmitglied von FKW // Zeitschrift für Geschlechterforschung und visuelle Kultur. Lehrt, schreibt und forscht zur Kunst- und Architekturgeschichte der Neuzeit (Schwerpunkt 18.–20. Jahrhundert), Wohnen, Erinnerungskultur/en, Geschlecht und Raum, Mode, Mensch-Tier-Beziehungen in der visuellen Kultur. Aktuelle Publikationen (Auswahl): „Betten und Matratzen an die Sonne“. Die Neue Wohnung und der Normalisierungs- und Sexualisierungsdiskurs in der Weimarer Republik, in: Matratze/Matrize. Möblierung von Subjekt und Gesellschaft. Konzepte in Kunst und Architektur, hg. von Irene Nierhaus und Kathrin Heinz. Bielefeld: transcript 2016; Heim/Tier. Tier-Mensch-Beziehungen im Wohnen, hg. mit Silke Förschler und Astrid Silvia Schönhagen, Bielefeld: transcript, 2019 (wohnen +/- ausstellen Bd. 6).
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A reading of David Hockney’s Mr. and Mrs. Clark and Percy (1971) as an interspecies-encounter in the dwelling
David Hockney’s painting Mr. and Mrs. Clark and Percy from 1971 is part of a series of depictions of the domestic produced by the British artist during the 1960s and 1970s. It is the only image within this group of portraits of Hockney’s relatives and friends that, along with the human figures, the interior, and various domestic objects, includes a non-human resident: a cat, identified in the title by the name Percy. Numerous analyses of this very well-known Hockney work either fail to mention the pet animal completely or refer to it only in passing. Given the very prominent positioning of Percy in the picture, this disregard seems astounding, and in my view it is a symptom, a symptomatic over-sight deriving from the concept of anthropological difference, the binary-hierarchical opposition between human and animal that pervades scholarly discourse, including the discourse around dwelling. This paper fosters a reading of this image that is focused on the critique of anthropocentric viewpoints. Two guiding texts in this context are Jacques Derrida’s The Animal That Therefore I Am (2010), in which Derrida proceeds from a domestic scene involving eye contact with his cat in his apartment to a revision of thinking and speaking about animals, and Roland Barthes’ lecture series How to Live Together (1977/2007), in which Barthes reflects on types of living and dwelling in communities, including in animal societies.
Christiane Keim is a lecturer at the Institute for Art History – Film Studies – Art Education at the University of Bremen and an associate researcher at the Mariann Steegmann Institute – Art & Gender. Completed her studies in art history and German studies at the Philipps-University Marburg in 1987. Doctorate in art history with a thesis on urban planning in Classicism. Completed her post-doctorate at the TU Munich in 2004 with a treatise on gender relations in residential building during the 1920s. 1994–2005 co-editor of FKW // Zeitschrift für Geschlechterforschung und visuelle Kultur. Teaches, writes and researches in the fields of art and architectural history in the modern era (focusing on the eighteenth, nineteenth and twentieth century), dwelling, culture/s of remembrance, gender and space, fashion, and human-animal relationships in visual culture . Recent publications (selected): “‘Betten und Matratzen an die Sonne.’ Die Neue Wohnung und der Normalisierungs- und Sexualisierungsdiskurs in der Weimarer Republik,” in Matratze/Matrize. Möblierung von Subjekt und Gesellschaft. Konzepte in Kunst und Architektur, ed. by Irene Nierhaus and Kathrin Heinz, Bielefeld: transcript 2016; Heim/Tier. Tier-Mensch-Beziehungen im Wohnen, ed. with Silke Förschler and Astrid Silvia Schönhagen, Bielefeld: transcript, 2019 (wohnen +/- ausstellen, vol. 6).